| Hund und Haltung > Herdenschutzhunde

Verkannte Genies

In den letzten Jahren sind Herdenschutzhunde bekannter geworden und es gibt inzwischen einige Literatur über diese Hunde. So scheint zumindest gesichert, dass interessierte Menschen Zugang zu dem notwendigem Basiswissen über diese Hunde haben. Jedoch hinterlässt diese Spezies Hund für viele Menschen im weiteren Umgang immer noch offene Fragen, was dazu führt, dass diese Hunde nicht selten fehlinterpretiert werden. Häufig besteht ein Stigma gegenüber Herdenschutzhunden, so ist dann auch von Kritikern dieser Hunde schon mal zu vernehmen, dass Herdenschutzhunde in der zivilisierten Welt nichts zu suchen zu hätten.

Es mag richtig sein, dass Herdenschutzhunde sich schlechter als andere Hunderassen vermenschlichen lassen und eher auf das Unvermögen ihres sozialen Umfeldes ansprechen. Es sind aber eher die für die Hundehaltung typischen Umstände, die zum schlechten Image dieser Hunde beitragen. So sind es dann insbesondere ungeeignete Haltungsbedingungen, mangelnde Sozialisierung und verkehrte Ausbildungsbemühungen die zu Problemen führen. In der Tat sind diese Hunde ziemlich resistent gegenüber monotonen und unangebrachten Dressurmethoden. Es sollte nicht das Ziel sein, einen solchen Hund aus einer Befehlslaune heraus führen zu wollen. Vielmehr sollten Übungen alltagstauglich und situationsbedingt aufgebaut sein. So ergibt sich ein Sinn für anstehende Aufgaben, die dann auch in typischer "Herdenschutzhund-Geschwindigkeit" zuverlässig umgesetzt werden.

Auch wenn Herdenschutzhunde dazu neigen sich außerhalb ihres Territoriums gegenüber Fremden eher distanziert zu verhalten, sollte der Hund erfahren, dass die Welt außerhalb seines Territoriums anders zu bewerten ist. So können reizbedingte Missverständnisse seitens des Hundes vermieden werden. Der Arbeitsbereich der Herdenschutzhunde hat einen bestimmten charakteristischen Verhaltenstypus verlangt und geprägt. Daher ist es durchaus interessant sich mit dem Verhalten eines arbeitenden Herdenschutzhundes gegenüber Nutzvieh sowie das eigentliche Schutzverhalten dieser Hunde auseinanderzusetzen.

Der Mythos vom blindlings angreifenden Herdenschutzhund gilt inzwischen erfreulicherweise als überholt. Wer sich einmal in diese Thematik eingefunden hat, wird feststellen, dass Herdenschutzhunde keineswegs marodierende Aggressoren sind. Kritikern dieser Hunde sei gesagt, dass Herdenschutzhunde tendenziell ein artgerechtes und ausgiebiges Sozialverhalten zeigen.
Eben dieses nimmt die Halter eines Herdenschutzhundes stark in die Pflicht, Hunde allgemein so wahrzunehmen wie sie wirklich sind. Dies erfordert gute Kenntnisse über das Hundeverhalten und ein Gefühl für den Umgang damit. Hier seien nur Begriffe wie Dämmerungsaktivität, Territorialverhalten, Individualdistanz, Wach- und Schutzverhalten, Eigenständigkeit und Misstrauen gegenüber Fremden erwähnt.
Zudem bewegen sich Herdenschutzhunde eher bedächtig, wirken zum Teil sogar phlegmatisch und gelten nicht gerade als führig. Dies gilt auch für Hunde, die laut Züchter als Familienhund gezüchtet und entsprechend angepriesen werden. Nicht selten hingegen wird für viele Halter eines Herdenschutzhundes der Alltag durch das herkömmliche Hundeverständnis erschwert.

Forciert durch die Tendenz zum "well-to-please-Hund" (will-gefallen-Hund), haben es Herdenschutzhundhalter oftmals mit einer legeren Art und eigenartigen Theorien anderer Hundehalter bei Begegnungen zu tun. Dies steht im Kontext dazu, dass Herdenschutzhunde unkontrolliert auf sie einwirkende Situationen nicht mögen und auf solche Bedrohungen entsprechend reagieren.

Letztendlich geht für viele Menschen eine Faszination von diesen Hunden und ihrer Aura aus. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass Herdenschutzhunde auch in unserer technisierten und funktionellen Umwelt als urtümliche Hunde erhalten bleiben. Ein Herdenschutzhund, der gut in sein soziales Umfeld integriert ist, wird eine enge Personenbindung zu seinem Halter aufbauen und sich gegenüber seiner Umwelt entsprechend differenziert verhalten.